Erklärungen zur Besetzung der Marienstraße 41 in Wuppertal
Vor einer Woche wurde im Anschluss an das „solidarische Nachbarschaftsfest” auf dem Wuppertaler Ölberg das Haus an der Marienstraße 41 besetzt. Die Besetzer*innen wollten dort ein „Centro Sociale” in Kombination mit einem „Refugee Welcome Center” einrichten. Wir dokumentieren hier nochmals die beiden veröffentlichten Erklärungen der Hausbetzer*innen, bzw. deren Unterstützer*innen, in der Nachbarschaft auf dem Ölberg verbreitete Nachrichten, sowie einige Links zu Presseartikeln.
• Erste Erklärung (zur Hausbesetzung) vom 30.August 2014. (Quelle)
Hausbesetzung in Wuppertal
Heute haben wir in der Marienstraße 41 auf dem Ölberg in Wuppertal-Elberfeld ein seit Jahren leerstehendes Haus beschlagnahmt, um ein centro sociale / refugee welcome center zu eröffnen. Wir wollen das seit Jahren leerstehende Haus nutzen, um einen für alle WuppertalerInnen zugänglichen Treffpunkt, Infoladen und Veranstaltungsort zu haben. Das ehemalige Second-Hand-Geschäft ist dafür gut geeignet. Unseres Wissens steht das Haus derzeit nicht zur Vermietung, sondern wird von den Eigentümern als reines Anlagekapital behandelt. Es ist daher schon seit Jahren ungenutzt und verkommt immer mehr.
Das Haus ist kein Einzelfall in der Nordstadt ; mehrere Gebäude verfallen und sind ungenutzt, einige kaputten Häuser stellen sogar eine Belastung und Gefahr für AnwohnerInnen und PassantInnen dar, wie z.B. die Brandruine in der Bandstraße. Selbst kaputte Scheiben werden oft nicht ersetzt. Dabei gibt es zahlreiche sinnvolle und dringend benötigte Nutzungen, wie zum Beispiel soziale Treffpunkte in den Stadtteilen, Infoläden, Orte für freie Bildungsarbeit und Beratungsangebote, Gib-und-Nimm-Läden, unkommerzielle Kulturangebote, oder eben Anlaufpunkte für neu in Wuppertal ankommende Geflüchtete. Das heute von uns angeeignete Haus in der Marienstraße soll dementsprechend ein Ort für alle ÖlbergerInnen und WuppertalerInnen sein.
Wir fordern die Stadt Wuppertal dazu auf, solche leerstehenden Häuser zu enteignen und die Gebäude den Menschen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen. Wir wollen, dass die Stadt das in diesem Fall tut und es uns zu den oben genannten Zwecken zur Verfügung stellt.
Wir bitten alle NachbarInnen um Verständnis, dass wir sie nicht alle in die Planung einbeziehen konnten, und laden herzlich dazu ein, in den nächsten Tagen im Centro Sociale / Refugee Welcome Center auf dem Ölberg vorbeizukommen. Eine erste Gelegenheit zum Kennenlernen gibt es schon am Sonntagmorgen ab 11 Uhr bei einem Frühstück mit und für Nachbar*innen.
Auch Spenden sind uns herzlich willkommen, angefangen von Tischen und Stühlen über Stoffe, Wandfarben u.ä. bis hin zu Kuchen, Kaffee und Lebensmittel. Dringend brauchen wir auch eine große Glasscheibe, um den hässlichen Holzverhau des Ladenlokals zu ersetzen.
Wir grüßen die Squattingdays in Hamburg und die Aktivist*innen von Avanti in Dortmund und alle Besetzer*innen überall !
application loi de requisition ! refugees welcome to wuppertal !
• Zweite Erklärung nach der Räumung vom 02.September 2014 (Quelle)
Besser die Jugend besetzt leere Häuser als fremde Länder !
Erklärung von Unterstützer*innen der Hausbesetzung in Wuppertal nach der schnellen Räumung.
Am Samstagabend haben einige Aktivist*innen aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums versucht, ein seit Jahren leerstehendes Mietshaus mit Ladenlokal auf dem Elberfelder Ölberg zu besetzen. Leider gelang es der Polizei, die Besetzung der Marienstraße 41 nach kurzer Zeit zu beenden. In der Folge kam es zu insgesamt neun Festnahmen : sieben Personen wurden in dem besetzten Haus verhaftet, zwei der Festgenommenen waren völlig unbeteiligte Ölberger*innen. Eine festgenommene Person wurde bei der Aktion der Polizei am Kopf verletzt.
Das denkmalgeschützte Haus in der Marienstraße steht seit Jahren leer, die Eigentümergesellschaft, eine Tochter der insolventen Treveria Immobilienholding lässt die Immobilie vergammeln (mehr Hintergründe zu den Eigentümer*innen in der Stellungnahme der « UnternehmerInnen für die Nordstadt e.G. http://www.njuuz.de/beitrag27151.html). Die Absicht der Besetzer*innen war, das ungenutzte Gebäude den Menschen in der Nordstadt und speziell den Ölberger*innen zurückzugeben. Welche Nutzungen geplant waren, ist der noch am Abend der Besetzung veröffentlichten Erklärung zu entnehmen (http://linksunten.indymedia.org/de/node/121618).
Reaktionen wie die des SPD-Bezirksbürgermeisters Hans-Jürgen Vitenius, der laut Westdeutscher Zeitung davon sprach, das Haus könne nicht als Ersatz für das Autonome Zentrum (AZ bleibt an der Gathe!) gedacht sein, zeugen von Ignoranz gegenüber den politischen Zielen der Hausbesetzung. Offenbar hat Vitenius keinen Blick in die Erklärung der Besetzer*innen geworfen, er geht auch mit keinem Wort auf die Forderung ein, die Stadt möge die in der jetztigen Form für die Menschen in der Nordstadt nutzlose Immobilie in der Marienstraße 41 enteignen und einer sinnvollen nachbarschaftlichen Nutzung zugänglich machen.
Gedacht war das Haus als Treffpunkt und Sozialzentrum (Centro Sociale) für die Bewohner*innen des Ölbergs und als Willkommensort für neu in Wuppertal eintreffende geflüchtete Menschen (Refugee Welcome Center). Beide Nutzungen sind in der gewünschten Form am Standort des AZ in der Markomannenstraße nicht machbar.
Es war geplant, die Nachbar*innen des Ölbergs, die sich in der Samstagnacht mehr vom überzogenen Polizeieinsatz als von der Besetzung des Hauses genervt zeigten und sehr solidarisch reagierten, intensv in die Überlegungen zur Nutzung des Hauses einzubeziehen. Für den Sonntagvormittag war ein gemeinsames Frühstück im Haus vorgesehen, bei dem die Gelegenheit bestehen sollte, eigene Wünsche und Vorschläge für eine zukünftige Nutzung zu machen. Für die erste Woche des « Centro Sociale » waren darüberhinaus Hartz IV-Beratungsangebote, ein runder Tisch mit Geflüchteten, eine Diskussionsrunde zu Hausbesetzungen, Mieter*innentreffen und Filmvorführungen geplant. Tägliche Plena sollten dabei einen engen Austausch mit der Nachbarschaft schaffen. Auch zur Instandsetzung des Hauses waren erste Überlegungen angestellt worden. Die Polizei hat diese Nutzungen leider (zunächst) vereitelt.
Wir werden natürlich weiterhin für die notwendige soziale Infrastruktur in unseren Vierteln kämpfen. Dazu gehören unverändert ein Refugee Welcome Center und viele Soziale Zentren in den Quartieren.
- Inhaltsverzeichnis
- Seite 1 : Erklärungen zur Besetzung der Marienstraße 41 in Wuppertal
- Seite 2 : Einige Worte zum Polizeieinsatz, Briefe an NachbarInnen