Wie sieht´s aus in Heiligenhaus ?

Besuch im Flücht­lings­lager Schule Ludge­russtraße am 16.10.2014

Gemeinsam mit der Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen und anderen hat das so_ko_wpt Ende letzten Jahres und Anfang 2014 die Situa­tion geflüch­teter Menschen in Wupper­tals Nachbar­stadt Heili­gen­haus thema­ti­siert. Die in einer ehema­ligen Schule unter­ge­brachten Menschen hatten über unzumut­bare Bedin­gungen geklagt und einen selbst­or­ga­ni­sierten Protest gegen die Zustände auf die Beine gestellt, den wir mit einer wieder­holten Bericht­erstat­tung unter­stützten. Unter anderem mussten sich sämtliche Bewohner*innen der Schule, Frauen, Männer und Kinder eine einzige Dusche im Bereich der Männer-Toilette teilen.

Am 8.Dezember 2013 verstarb der Flücht­ling Kallo Al Hassan Kanu unter bis heute nicht endgültig aufge­klärten Umständen, nachdem ein Kranken­wagen viel zu spät an der Schule einge­troffen war. Am 13.Dezember kam es daraufhin zu einer ersten Demons­tra­tion der Geflüch­teten in Heili­gen­haus, bei dem Forde­rungen an den Bürger­meister der Stadt übergeben wurden. Doch der Umgang der Stadt Heili­gen­haus mit den Bewohner*innen der Schule blieb zynisch : Ihnen wurde nicht einmal die Gelegen­heit gegeben, angemessen Abschied von Hassan zu nehmen. Ohne sie zu infor­mieren, bestat­tete die Stadt Heili­gen­haus den Verstor­benen in einem anonymen Grab in Velbert. Am 10.Januar 2014 gingen die Flücht­linge in Heili­gen­haus auch deshalb erneut auf die Straße und forderten Aufklä­rung zum Tod ihres Freundes und endgül­tige Zusagen der Stadt für eine Verbes­se­rung ihrer Situa­tion.

Von der Stadt Heili­gen­haus wurden im Anschluss einige Verspre­chungen gemacht, so sollten neue Duschen einge­baut und Familien auch indivi­duell unter­ge­bracht werden. Doch die zwischen­zeit­liche Hoffnung auf eine nachhal­tige Verbes­se­rung der Lebens­si­tua­tion scheint ein dreiviertel Jahr nach den Protesten geplatzt. Es stellt sich die Frage, was die Stadt Heili­gen­haus eigent­lich mit den gut 500 Euro anstellt, die sie je Flücht­ling monat­lich vom Land NRW erhält – in die Infra­struktur der Unter­brin­gung fließt das Geld offen­sicht­lich nicht, wie jetzt bei einem Folge­be­such der Karawane in der Schule deutlich wurde.

[Unsere damaligen Berichte aus Heili­gen­haus : 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7)

Wir dokumen­tieren hier den Bericht der Besuchs­de­le­ga­tion.

Die alte Schule in Heiligenhaus (hier im Januar 2014)

Die alte Schule in Heili­gen­haus (hier im Januar 2014)

Am 16. Oktober besuchte eine vierköp­fige Delega­tion der Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen das Lager Heili­gen­haus – eine ungenutzte Schule, in denen die Flücht­linge eigent­lich nur übergangs­weise unter­ge­bracht werden sollten und nun seit Juli 2013 hausen müssen.

Die Stadt Heili­gen­haus agiert komplett intrans­pa­rent hinsicht­lich der Planungen für eine zukünf­tige Flücht­lings­un­ter­brin­gung ; aus dem Proto­koll der letzten Ratssit­zung vom 1.Oktober geht hervor, dass inzwi­schen ein Gutachten erstellt wurde, auf dessen Grund­lage über die Unter­brin­gung entschieden würde (Beratung vermut­lich im Immobi­li­en­aus­schuss am 12.11.). Außerdem behauptet die Stadt­ver­wal­tung, es seien von den 130 in Heili­gen­haus zugewie­senen Flücht­lingen 60 bereits dezen­tral in Privat­un­ter­künften unter­ge­bracht. In der Schule würden derzeit 56 Personen leben.

Wenngleich wir nicht genau nachge­zählt haben, erscheint uns die Anzahl von 56 Personen völlig unrea­lis­tisch niedrig zu sein. Als wir ankommen, sind auf dem Schulhof mehrere Erwach­sene und zahlreiche spielende Kinder. Wie wir später erfahren, sind es genau sechzehn Kinder, die z.Zt. mit ihren Familien in der Schule unter­ge­bracht sind. Außerdem würden immer noch weitere Flücht­linge hier unter­ge­bracht. Für die Eltern ist das z.T. Eine schwie­rige Situa­tion, weil sie sich Sorgen machen, dass ihren Kindern in der Unter­kunft etwas zustößt oder dass sie einfach Dinge mitbe­kommen, die für Kinder schwer zu verar­beiten sind. Zudem wohnen die Kinder mit ihren erwach­senen Verwandten auf engstem Raum zusammen.

Wir trinken einen Kaffee mit einer Familie, die zu zehnt in einem ehema­ligen Klassen­raum wohnt. Der Klassen­raum hat ca. 30 Quadrat­meter. Das heißt, pro Person stehen ca. 3 Quadrat­meter Wohnfläche zur Verfü­gung. Sogar die bayri­schen Leitli­nien für Flücht­lings­un­ter­brin­gung sehen 7 Quadrat­meter je Person vor. In NRW gibt es keine Vorgaben des Landes.

Eine Frau berichtet, der Sozial­amts­leiter Saborni habe ihr auf die Frage, wo die Kinder denn die Hausauf­gaben machen sollten, gesagt, sie könnten ja in die Küche gehen. Dort gibt es aller­dings gar keine Sitzge­le­gen­heiten ; außerdem sind dort ja immer auch andere Personen und deshalb haben die Kinder dort auch keine Ruhe. Es gibt noch ein weiteres Problem : Zwei Kinder sind (noch) nicht in der Schule ; sie sollten in Velbert in eine Auffang­klasse gehen, bekommen aber wohl kein Ticket­geld. Die Eltern sollten nach Auskunft des Sozial­amts das Ticket selbst finan­zieren (von ihrem Regel­satz?!).

Es gibt Familien (mindes­tens zwei), die zwischen­zeit­lich eine private Unter­kunft hatten und dann wieder in die Schule zurück­ge­bracht wurden ; in deren Wohnungen sind dann andere Familien einge­zogen. Für alle Bewoh­ne­rInnen ist völlig undurch­schaubar, nach welchen Krite­rien wer wo unter­ge­bracht wird. Manche vermuten Willkür, Bevor­zu­gung nach Sympa­thie und Wohlver­halten, manche vermuten Vorteils­nahme, wieder andere haben überhaupt keine Idee.

In der ersten Etage sind vier neue Duschen einge­baut worden. Davon ist im Augen­blick aber nur eine einzige in Betrieb, denn die anderen sind leck, das Wasser lief den darunter wohnenden Familien durch die Decke. Dann erfahren wir, dass die verblei­bende Dusche auch nicht zu nutzen ist, weil das Wasser Strom führt (!)*. Wenn man die Hand an die Wand legt, spürt man eine Spannung. Es gab wohl einen Instal­la­ti­ons­fehler ; der Handwerker, der hier beschäf­tigt war, wirkte nach Meinung eines Bewoh­ners nicht beson­ders kompe­tent.

Mit den Bewoh­ne­rInnen zusammen wird beschlossen, dass die aktuelle Situa­tion dokumen­tiert und veröf­fent­licht werden soll.

* Am Tag nach dem Besuch wurde das Sozialamt telefo­nisch über die „elektri­sche Dusche“ infor­miert. Die Reaktion war, zunächst auch diese Dusche noch zu schließen. Es gibt jetzt aktuell noch eine einzige funktio­nie­rende Dusche, die im selben Raum wie die (von den Männern genutzte) Toilette ist.

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