Rechter Terror in Wuppertal

 

Wupper Nachrichten vom 19.06.1993
Seite 4

Rechter Terror in Wuppertal
Brandanschläge, Drohanrufe, angebliche Polizisten

Am Dienstag, dem 8.Juni, warnten Poilizistlnnen die Inhaberlnnen türkischer Geschäfte und Lokale im Umfeld der Neuen FriedrichstraBe in Elberfeld vor drohenden Anschlägen durch Rechtsradikale. In den folgenden Nächten herrschte Angst unter den Immigrantlnnen in Wuppertal. Zwei Brände wurden gelegt.

Am folgenden Donnerstag brannte es gegen 5.15 Uhr morgens in der nahegelegenen Helmholtzstraße gleich in zwei Häusern. Menschen kamen nicht zu Schaden. Auch in der Helmholtzstraße war eine Türkin durch einen Drohanruf gewarnt worden, NachbarInnen hatten daraufhin Nachtwachen organisiert. Die Ziele der Brandstifter scheinen relativ zufällig zu sein. Nach Auskunft einer Bewohnerin aus einem der angezündeten Häuser versuchten die Brandstifter in mehrere Häuser in der Helmholtzstraße einzudringen. In den beiden Häusern, gelang es ihnen in den Keller zu kommen. Die Brände wurden rechtzeitig bemerkt, die Feuerwehr wurde gerufen und die Schäden blieben begrenzt.

In einem der beiden Häuser leben Menschen mit türkischer, jugoslawischer und deutscher Staatsangehörigkeit. In dem anderen leben ausschließlich Deutsche. Die deutschen BewohnerInnen des zweiten Hauses erhielten insbesondere von ihren türkischen Nachbarlnnen spontane Hilfe, beispielsweise in Form von Stromleitungen. Das Feuer hatte die Hausanschlüsse des Hauses zerstört. Sie berichteten von einem freundlichen und friedlichem Zusammenleben in der Helmholtzstraße. Auch andernorts in Wuppertal wurden türkische Geschäfte bedroht So erhielt ein Lebensmittelgeschäft im Umfeld des Platzes der Republik einen Drohanruf. Massiv terrorisiert wurden auch die Inhaberinnen eines türkischen Geschäfts in Unterbarmen in der Nähe des Polizeipräsidiums. Die Geschichte, die sie erzählten könnte einem Psychokrimi entnommen sein.

Eine Nacht nach den polizeilichen Warnungen vor einem bevorstehenden Anschlag in Elberfeld versuchten bislang Unbekannte, in das Geschäft einzudringen. Sie erschienen etwa zwei Stunden vor den Brandanschlägen in Elberfeld Die Inhaberin und eine Nachbarin, die mit im Haus wohnt, befanden sich zufällig im Lager hinter dem Geschäft. Sie waren von einer Gartenfeier zurückgekommen und stellten einige Gegenstände im Lager ab. Einer der Einbrecher trug ein Armeehemd in Tarnfarben. Er trug kurze blonde Haare, an den Seiten ausrasiert. Der andere ist mittel- bis dunkelblond. Die beiden sind Anfang bis Mitte 20, vermutlich Deutsche. Sie trugen Taschen bei sich, die Werkzeug enthielten, mit denen sie einzubrechen versuchten. Die Inhaberin des Ladens schaltete Licht ein und trat ihnen entschlossen entgegen, worauf die nächtlichen Besucher verschwanden. Wie sich später herausstellte, hatten sie ursprünglich versucht, durch eine andere Tür in den Hausflur einzudringen.

Voraus gegangen war ein merkwürdiger Anruf eines angeblichen Polizisten, der die Inhaberin aufforderte, eine Anzeige in einer polizeiinternen Zeitung aufzugeben. In der Anzeige sollte sie den vorbildlichen Schutz der Immigrantlnnen durch die Polizei bestätigen. Als sie nicht darauf einging, wurde der Anrufer böse.

Einige Wochen zuvor war beobachtet worden, wie Skizzen von dem Gebäude angefertigt wurden. Bei einem anderen Vorfall nach dem versuchten Einbruch fotografierten drei Typen das Haus. Sie hatten dort ein Armeemotorrad aufgestellt und taten so, als würden sie das Motorrad fotografieren. In der unmittelbaren Nachbarschaft des Polizeipräsidiums tauchten drei junge Männer auf, die ebenfalls Drohungen gegen den Inhaber und die Inhaberin des Geschäftes ausstießen. Sie kamen aus einer Spielothek und trugen Baseballschläger. Noch eine Woche nach dem versuchten Einbruch wurde das Geschäft nachts beobachtet.

Von der Polizei erhielten die Bedrohten die Auskunft, daß keine zusätzlichen Streifen gefahren werden könnten. Nicht jedes Gebäude in Wuppertal könne von der Polizei regelmäßig kontrolliert werden. Dennoch wollen die BeamtInnen die Augen offen halten, denn wegen des nahegelegenen Polizeipräsidiums fahren oft Polizeiautos durch das Umfeld des Geschäftes. Die Betroffenen riefen zu einer Bürgerlnnenversammlung auf, wo über Möglichkeiten beraten werden soll, sich vor rechtem Terror zu schützen.

Albert Konsch

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