Wie steht’s um solidarische Strukturen im Tal ?

Das so_ko_wpt disku­tiert mit anderen Initia­tiven über „Solida­rität in Wuppertal”: Freitag, den 27.06.2014, 19 Uhr , ADA, Wiesenstr. 6, Wppt.-Elberfeld.

Seit mehreren Wochen zeigt das Infor­ma­ti­ons­büro Nicaragua aus Wuppertal histo­ri­sche Plakate der nicar­gua­ni­schen Revolu­tion im Rahmen der Ausstel­lung „Die Revolu­tion ist ein Buch und ein freier Mensch”. Am Freitag, den 27.Juni geht die Ausstel­lung im ADA mit einer Podiums­dis­kus­sion in die letzte Woche.

Nach mehreren Veran­stal­tungen während der Ausstel­lungs­dauer, bei denen es um die Geschichte der inter­na­tio­nalen Solida­rität – speziell mit der Revolu­tion in Nicaragua – ging, soll sich die  Diskus­sion „Solida­rität in Wuppertal heute zwischen Migra­tion, Sozialer Ausgren­zung und Freihan­dels­po­litik” mit den heutigen solida­ri­schen Struk­turen im Tal befassen. Vertre­te­rInnen einiger heute in Wuppertal aktiver Gruppen sprechen über ihre Initia­tiven, die Form der Organi­sa­tion und über die aktuelle Bedeu­tung des Begriffs Solida­rität für ihre Arbeit.

Neben Vertre­te­rInnen der basis­ge­werk­schaft­li­chen Initia­tive BaSo, der Flücht­lings-Selbst­or­ga­ni­sa­tion Karawane und des Erwerbs­lo­sen­ver­eins Tacheles wird auch jemand vom so_ko_wpt auf dem Podium sitzen und über das Selbst­ver­ständnis des soli-komitees wuppertal sprechen. Am Rande der Diskus­sion gibt es außerdem Musik­ein­lagen aus Latein­ame­rika zum Thema Solida­rität (mit Alfredo Ramirez, Gitarre).

Der Eintritt ist frei, die Veran­stal­tung beginnt um 19:00 Uhr.

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Ausgetretene Pfade verlassen ! Bericht zum 1.Mai.

Für die aktive Linke ist der 1.Mai eines Jahres immer auch ein Datum, das auch der Selbst­ver­ge­wis­se­rung dient : Wo stehen wir ? Wieviele sind wir ? Glauben wir an unsere Kraft ? Und wenn ja, wofür soll diese einge­setzt werden ? In Wuppertal läuft am 1.Mai seit drei Jahrzehnten eine der ältesten unange­mel­deten autonomen Maidemos durch die Stadt. Fast alles hat es dabei schon gegeben und dennoch ist es jedes Jahr spannend zu sehen, wie es um die politi­sche Gegen­wehr in der Stadt steht. Das so_ko_wpt ist da natür­lich dabei.

Wie sieht es also aktuell aus mit der Wider­bors­tig­keit ? Hier ist unser Bericht von zwei Tagen « 1MaiWpt », die Überra­schungen boten und Hoffnung machten.

Unser Artikel zum Wupper­taler 1.Mai :

Einfach mal ausge­tre­tene Pfade verlassen !

Der autonome 1.Mai in Wuppertal, der seit vier Jahren bereits am 30.April mit einer Vorabend-Nacht­tanz­demo in der Elber­felder Innen­stadt beginnt und mit dem abend­li­chen Schus­ter­platz­fest auf dem Ölberg endet, bot 2014 ein paar Überra­schungen, an denen auch das so_ko_wpt hier und da betei­ligt war. Es waren insge­samt schöne Tage. Die in der momen­tanen Situa­tion wichtigste Botschaft des diesjäh­rigen « 1MaiWpt » : Es lebt !

Die im ersten Jahr noch vom Aktions­bündnis für das Recht auf Stadt, « basta ! », organi­sierte Nacht­tanz­demo am Vorabend des ersten Mai stand diesmal unter dem Motto « Wir haben mehr vom Leben als von der Arbeit ! ». In den Jahren zuvor war es u.a. um die Kürzungs­po­litik der Stadt Wuppertal, um frech gewor­dene Nazis im Tal und um die Erwei­te­rung einer ECE-Shopping­mall auf einem öffent­li­chen Platz in der Elber­felder City gegangen.

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Mit « Wir haben mehr vom Leben als von der Arbeit ! » sollte diesmal an die Wurzeln selbst­be­stimmten Kampfes erinnert werden : Das Ziel eines guten Lebens für alle ist mit dem kapita­lis­ti­schen Ideal eines in allen Berei­chen durch­kom­mer­zia­li­sierten Daseins und der Zurich­tung von Menschen zu Arbeits- und Konsum­ma­schinen einfach nicht vereinbar. Mit dem Aufruf sollte angespro­chen werden, dass dreissig Jahre neoli­be­raler Gehirn­fraß auch vor unseren eigenen Köpfen nicht halt gemacht hat und dass wir für den – meistens leider recht wider­standslos hinge­nom­menen – Konkur­renz­druck und für eine über Grenzen gehende Leistungs­be­reit­schaft durchaus auch selbst verant­wort­lich sind. Die Einla­dung, sich mit der Vorabend-Nacht­tanz­demo die Straßen (und für zumin­dest einen Abend) auch ein Stück des eigenen Leben zurück­zu­holen, nahmen zu Beginn im Luisen­viertel um die 500 Menschen an. Nach einem krassen Regen­guss gegen 22 Uhr erreichten noch etwa 200 von ihnen die bis Mitter­nacht dauernde Kundge­bung zum Abschluss am Schau­spiel­haus. Im Rahmen der Etappen­disko, die auf dem Musik­kampf­wagen von Block­schock- und Du&Ich-DJs grandios beschallt wurde, gab es auf der Route mehrere Wortbei­träge bei einer in diesem Jahr deutlich politi­scheren Vorabend­demo.

« Niedrig­lohn und Leihar­beit – dafür haben wir keine Zeit »

Beim Auftakt im Deweerth’schen Garten gabs zunächst einen Überblick der aktuellen politi­schen « ToDo-Liste ». Angespro­chen wurde beispiels­weise die Situa­tion der von Duisburg in die Nachbarstaft Ennepetal umgezo­genen Romafa­mi­lien, die sich dort bereits wieder hetze­ri­schen Zeitungs­ar­ti­keln und Facebook-Kommen­taren ausge­setzt sehen. Es wurde dazu aufge­rufen, die Geschichte in Ennepetal weiter zu verfolgen und ggf. von Wuppertal aus zu agieren. In einem anderen Beitrag erfolgte eine klare Distan­zie­rung von den Querfront-Tendenzen am Rande der « Montags­mahn­wa­chen », dazu gab es einen kurzen Ausblick auf die inter­na­tio­nalen Lage vor dem 1.Mai. Bereits zu diesem Zeitpunkt mißfiel der polizei­li­chen Einsatz­lei­tung die Wortwahl bei der Rede, weil die am nächsten Tag in Istanbul einge­setzten 35.000 Cops « Bullen » genannt wurden. Die außer­ge­wöhn­lich feingeis­tige Sprach-Sensi­bi­lität der Unifor­mierten hielt dann bis zum Schluss der Demo an.

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Die Antifa machte auf die Aktivi­täten diverser rechter Gruppen und der Nazis zur bald bevor­ste­henden Kommunal- und Europa­wahl aufmerksam und die « Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen » berich­tete von der Situa­tion der Geflüch­teten, die auch am „Tag der Arbeit” unter einem Arbeits­verbot leiden. Dazu wurde das solida­ri­sche State­ment der « Lampe­dusa-Gruppe » zur Hamburger 1.Mai-Demo verlesen. Am Jobcenter Neumarkt­straße schil­derte ein Redner von Tacheles die Sankti­ons­praxis des Jobcen­ters, das in Wuppertal als « Options­kom­mune » ein rein städti­sches Unter­nehmen ist, und für das nächste Sperr­müll­fests auf dem Ölberg (29.Mai) wurde konkrete Hilfe für Drang­sa­lierte angekün­digt : Bei einem « Anti-Bewer­bungs-Workshop » sollen Wege zu einer erfolg­losen Bewer­bung aufge­zeigt werden.

Die Slogans der Vorabend­demo kreisten vom auch auf dem Front­trans­pa­rent der Demo stehenden « Niedrig­lohn und Leihar­beit – dafür haben wir keine Zeit ! », vor allem um die soeben gestar­tete Kampagne « Das AZ bleibt an der Gathe ! » des Autonomen Zentrums. Auf den Klassiker « Kein Tag ohne…» konnte sich hin und wieder sogar (fast) die gesamte Demo einigen. Die Vorabend­demo 2014 ging im Ganzen ohne größere Zwischen­fälle ab : Nicht alles hat geklappt und die Cops waren speziell bei der Abschluss­kund­ge­bung (bei der es zu zwei Perso­na­li­en­fest­stel­lungen wegen « Belei­di­gung » kam) teilweise provo­kativ, es überwog aber allseits der Spaßfaktor. Die Demo war eine prima kämpfe­ri­sche Einstim­mung auf den nächsten Tag.

Soziale Revolu­tion statt Sozial­part­ner­schaft !
Wir sind nicht Volk ! Wir sind Klasse !

Der folgende 1.Mai war dann auch um einiges ereig­nis­rei­cher als in den letzten Jahren. Obwohl manche den Weg nach Dortmund angetreten hatten, um dort Nazis zu blockieren, erschienen einige Demons­tranten bereits am frühen Mittag auf dem Lauren­ti­us­platz zur jährli­chen Maifeier des DGB. Wir hatten uns vorge­nommen, zwischen Bratwurst und Frühschoppen die Rolle der deutschen Einheits­ge­werk­schaften in der europäi­schen und weltweiten Krise kritisch zu hinter­fragen. (Siehe auch : Wir sind nicht Volk ! Wir sind Klasse ! Unser Text zur DGB Maifeier 2014) Auf dem mitge­brachten Trans­pa­rent fragten wir die anwesenden Gewerk­schaf­te­rInnen « Which Side are You on ? » und bei der in einer Konzert­pause abgehal­tenen spontanen Kundge­bung erzählten wir von den ziemlich beschis­senen Arbeits­be­din­gungen der Busfah­re­rInnen beim Stadt­werke-Subun­ter­nehmen « Rhein­gold ». Es wurde klarge­macht, dass die häufig für 1.000 Euro netto schuf­tenden Fahre­rInnen und dieje­nigen, die sich vom Hartz IV-Regel­satz nur andert­halb monat­liche Busfahrten in die Innen­stadt leisten können, im selben Boot sitzen.

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Als eine hausge­machte Ursache der unsozialen Entwick­lung des Wupper­taler Nahver­kehrs wurden falsche Priori­täten der lokalen, von den Gewerk­schaften offiziell unter­stützten, Politik benannt. So musste für den Presti­ge­umbau am Döppers­berg ein Teil der Energie­sparte der Wupper­taler Stadt­werke priva­ti­siert werden, was den existen­ziell auf Quersub­ven­tionen angewie­senen Nahver­kehr zuneh­mend in Bedrängnis bringt. Die Reaktion der meisten der anwesenden Gewerk­schaf­te­rInnen auf unsere Gener­lab­rech­nung mit der Funkti­ons­elite der DGB-Gewerk­schaften war erstaun­lich positiv und ermutigte uns, zu einer spontanen kleinen Demons­tra­tion durch die Innen­stadt zum Busbahnhof in Elber­feld aufzu­rufen. Ob die kriti­schen Gewerk­schaf­te­rInnen tatsäch­lich dazu anmiert werden können, sich in Richtung eines politi­schen Mandats zu organi­sieren, und ob beispiels­weise eine Bereit­schaft zur einge­for­derten Solida­rität mit den in Köln angeklagten Ford-Arbei­te­rInnen aus dem belgi­schen Genk entstehen kann, bleibt trotz des erstaun­li­chen Zuspruchs natür­lich zweifel­haft.

Es machten sich dann auch nicht zuviele mit uns auf den Weg. Doch die kleine Demo, die zum Döppers­berg zog, war laut und entschlossen, sodass alle am Feiertag Flanie­renden auf der Route erreicht werden konnten. Die am Busbahnhof anwesenden Busfah­re­rInnen und Fahrgäste wurden über die miese Entloh­nung der « Rheingold»-KollegInnen in Kenntnis gesetzt und die Stadt­werke wurden aufge­for­dert, auch bei den Subun­ter­neh­mern endlich für anstän­dige Arbeits­be­din­gungen zu sorgen. Der nicht angemel­dete Zug durch die Stadt erfüllte aber auch noch einen weiteren politi­schen Zweck : Im Vorfeld der meist eng einge­schlos­senen autonomen Maidemo am Nachmittag sollte der Beweis angetreten werden, dass wir immer noch zu jeder Zeit und überall demons­trieren können.

Straße frei für den ersten Mai !

Das gleiche Ziel verfolgte eine kleine unange­mel­dete und schnelle Demo in der Elber­felder Innen­stadt am späten Nachmittag. Auch die Initia­to­rInnen dieser Gruppe wollten durch ihren gemein­samen Weg zum « offizi­ellen » Treff­punkt der autonomen Maide­mons­tra­tion demons­trieren, dass sie nicht mehr gewillt sind, sich auf von der Polizei lange vorge­plante Demorouten zu beschränken. Sie verstanden ihre Aktion als Teil der « Das AZ bleibt an der Gathe!»-Kampagne, die vom Autonomen Zentrum Wuppertal an diesem 1.Mai gestartet wurde. („links­unten indymedia”: Für einen unbere­chen­baren autonomen 1.Mai in Wuppertal und anderswo)

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Nachdem die Gruppe vom alter­na­tiven Sammel­punkt am gemein­samen Treff­punkt eintraf, startete die wie immer unange­mel­dete « offizi­elle » Maide­mons­tra­tion des Autonomen Zentrums. Nachdem sie in den letzten Jahren in ein immer engeres Einsatz­kon­zept der Polizei gezwängt worden war, raffte sich die Demo in diesem Jahr nach langer Zeit mal wieder dazu auf, die größte Strecke der Route selbst­ge­wählt zu gehen. Beför­dert wurde das durch Cops, die dieses Jahr nicht wirklich auf Zack waren und die auch mit der Ölberg-Topogra­phie nicht sonder­lich vertraut schienen. So hechelten ältere Demoteil­neh­me­rInnen und die beglei­tenden Einsatz­kräfte stetig mal diesen, mal jenen steilen Anstieg im Straßen­ge­wirr des Ölbergs hinauf, um talwärts die zuvor voran­ge­sprin­teten Jüngeren am Fuß des nächsten Berges wieder einzu­holen.

Die etwa 350 Teilneh­menden, die erstmals seit Jahren auf dem Weg wieder durch sich solida­ri­sie­rendes Publikum verstärkt wurden, hatten viel Spaß an einer wesent­lich längeren Route als in den Vorjahren. Die Botschaft, dass das autonome Zentrum lebt und nicht berechenbar bleibt, wurde fast durch die ganze Elber­felder Nordstadt getragen. Passend, dass dabei auch jene Stelle passiert wurde, wo es vor 25 Jahren die Beset­zung der « Muno»-Fabrik gegeben hatte – ein entschei­dender Baustein beim langen Kampf um ein AZ im Tal. Erst nach knapp zwei Stunden erreichte der autonome 1.Mai das tradi­tio­nelle Schus­ter­platz­fest im Herzen des Ölbergs. Impulse, das bunte Treiben von hier aus fortzu­setzen, schei­terten am Ende an der verbrei­teten Erschöp­fung. Der Ölberg fordert eben auf allen Seiten seinen Tribut.

1mai

Kein Tag ohne autonomes Zentrum !

Das Fazit dieses 1.Mai in Wuppertal ist positiv. Verschie­dene Akteure, verschie­dene Aktionen, verschie­dene Inhalte und verlas­sene ausge­tre­tene Pfade. Auch wenn 2014 wieder einmal die « soziale Revolu­tion » gefor­dert aber nicht gemacht wurde, so endete der Tag doch hoffnungs­voll. Beweg­lich­keit und Unbere­chen­bar­keit sind zu einer Zeit zurück­ge­kehrt, in der manche bereits eine erkal­tende Starre eintreten sahen. Was daraus in der (nahen) Zukunft gemacht werden wird, ist offen. Es wird sich spätes­tens beim nächsten Mal erweisen, wenn die in den Vorjahren augen­schein­lich ebenfalls einge­schlum­merte Staats­ma­schi­nerie versu­chen wird, auf der Höhe zu sein. Doch es sind neue Handlungs­op­tionen sichtbar geworden, die dafür sorgen, dass dem autonomen 1.Mai auch vor einer dann vielleicht wieder « hellwa­chen » Polizei nicht bange sein muss.

Ein anderes Ergebnis der zwei Tage « 1MaiWpt » ist ebenfalls erfreu­lich : Es wurde deutlich, dass das Autonome Zentrum ein unver­zicht­barer Bestand­teil des politi­schen und kultu­rellen Wider­stands in Wuppertal ist. Für alle Betei­ligten ist es ein notwen­diger Bezugs­punkt in der Arbeit und Organi­sa­tion. Das Wohlwollen, mit dem die Nachba­rInnen des Quartiers der autonomen Maide­mons­tra­tion begeg­neten und den Teilneh­menden teilweise zuwinkten oder sich gar der Demo anschlossen, ist für bevor­ste­hende Kämpfe um den Erhalt des Hauses am jetztigen Standort ein wichtiges Pfund – ebenso wie die vielen, die sich am Vorabend des 1.Mai  mit dem Inhalt der Vorabend­demo lautstark identi­fi­zierten. Das AZ Wuppertal lebt und produ­ziert Überra­schungen. Das ist in Zeiten wie diesen doch mal eine gute Botschaft !

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