Optimismus. Zur Tagung „Repression in der Türkei“.

Kämpfe in der Türkei sind immer Teil internationaler Interessen

Inter­na­tio­naler Fokus

Die Konzen­tra­tion der kurdi­schen Aktivis­tInnen gilt zur Zeit ohnehin mehr der Situa­tion in Rojava (West-Kurdi­stan, auf syrischem Staats­ge­biet) und der verzwei­felten Lage der dort vom Bürger­krieg betrof­fenen Menschen. Die Rolle Süd-Kurdi­stans (das ist das autonome kurdi­sche Gebiet im ehema­ligen Irak) erscheint dabei fragwürdig, da die kurdi­sche Autono­mie­re­gie­rung wirtschaft­lich – und wohl auch politisch – gut mit der türki­schen Regie­rung koope­riert. Das wird trotz des einge­lei­teten Friedens­pro­zesses zwischen türki­scher Regie­rung und PKK durchaus kritisch beurteilt. Denn dieser so genannte Friedens­pro­zess steht auf tönernen Füßen. Zuviele kurdi­sche Forde­rungen, z.B. nach einer eigenen Ordnungs­po­litik in Kurdi­stan sind nach wie vor unerfüllt. Es stellt sich die Frage, für welchen Zweck der noch immer laufende Abzug der PKK-Kämpfe­rInnen eigent­lich erfolgt. Dazu passt, dass von der Repres­sion der türki­schen Behörden gegen kurdi­sche Aktivisten und Aktivis­tinnen bislang nichts zurück­ge­nommen worden ist : Noch immer sitzen sie in den Knästen, noch immer leiden sie dort unter unerträg­li­chen Haftbe­din­gungen. Die ohnehin nur oberfläch­lich statt­fin­dende « Befrie­dung » Kurdi­stans könnte vor diesem Hinter­gund, und speziell nach den neuesten Entwick­lungen um den Syrien-Krieg, schnell zuende sein.

Auch das verdeut­licht, dass alle Entwick­lungen, Kämpfe und Repres­sion in der Türkei immer auch Teil inter­na­tio­naler strate­gi­scher Inter­essen sind. Die aktuelle Regie­rung unter Erdogan handelt nicht nur als Revival osmani­scher Großmacht­phan­ta­sien, sie ist auch ein strate­gisch wichtiger NATO-Partner. Die brutale Unter­drü­ckung der Aufstände der letzten Monate mag für einige europäi­sche Regie­rungen etwas zu harsch gewesen sein,- in der Tendenz wird Erdogans Versuch, die « Stabi­lität » des türki­schen Staates um jeden Preis zu wahren, bedin­gungslos unter­stützt. Das führt auch – allen verbalen Distan­zie­rungen zum Trotz – zu einer unbeein­träch­tigten Kooope­ra­tion der deutschen Regie­rung und deutscher Sicher­heits­ap­pa­rate mit ihren türki­schen Pendants.

hunko

Andrej Hunko (DIE LINKE) berichte über deutsche Koope­ra­tion

Das machte im zweiten Teil der Tagung der Bundes­tags­ab­ge­ord­nete Andrej Hunko (DIE LINKE) am Nachmittag klar, der von der militä­ri­schen, polizei­li­chen und geheim­dienst­li­chen Zusam­men­ar­beit Deutsch­lands mit dem « strate­gisch wichtigen NATO-Partner » Türkei berich­tete. Dabei schlug er einen Bogen von der Liefe­rung von Panzern, die zur Unter­drü­ckung kurdi­schen Wider­stands einge­setzt wurden, über die Ausbil­dung türki­scher Polizisten bei der hessi­schen Polizei bis hin zur Straf­ver­fol­gung auf der Basis des Paragra­phen 129b und der europäi­schen « Terror­liste », die ohne jede demokra­ti­sche Kontrolle in EU-Kommis­sionen festge­legt wird.

Einer der repres­sivsten Staaten der Welt”

Diese Liste und die entspre­chenden « Terrrorismus»-Paragraphen wurden nach dem 11.9.2001 einge­führt, werden aber laut Hunko in der Haupt­sache gegen Linke einge­setzt. Die Türkei hat sich trotz einiger - einem mögli­chen EU-Beitritt geschul­deter - Korrek­turen zu einem der repres­sivsten Staaten der Welt entwi­ckelt. Bis zu 13.000 Menschen wurden aufgrund der inter­na­tio­nalen « Terror­pa­ra­gra­phen » seit ihrer Einfüh­rung in der Türkei inhaf­tiert, darunter hunderte Journa­listen. In der Türkei befinden sich mittler­weile mehr Journa­listen in Haft als in der Volks­re­pu­blik China. Die Koope­ra­tion deutscher Behörden und Unter­nehmen findet dabei häufig im Verbor­genen statt, sagt Andrej Hunko. Auch als Abgeord­neter stößt er bei seiner Arbeit dabei immer wieder an Grenzen, vieles unter­liegt der Geheim­hal­tung. Teils wird er in seiner Arbeit behin­dert, wenn er der türki­schen Regie­rung « unlieb­same » Gesprächs­part­ne­rInnen treffen will, teils verwei­gert die Bundes­re­gie­rung einfach die Auskunft : Die Anfrage der LINKEN nach jenen Unter­nehmen, die Tränengas an die türki­sche Polizei gelie­fert haben und liefern, blieb beispiels­weise « aus Rücksicht auf unter­neh­me­ri­sche Interssen » schlicht unbeant­wortet.

Wie sehr speziell die grenz­über­schrei­tende Straf­ver­fol­gung mithilfe der « Terror­pa­ra­gra­phen » in Deutsch­land lebende türki­sche und kurdi­sche Menschen betrifft, wurde auch in der abschlie­ßenden Runde zur Repres­sion in Deutsch­land deutlich. Gerade erst vor zwei Monaten, am 26.Juni, erfolgten bundes­weit Razzien und Verhaf­tungen, von denen diesmal Angehö­rige der « Anato­li­schen Födera­tion » betroffen waren. Fast zeitgleich ergingen in Frank­furt Urteile mit mehrjäh­rigen Haftstrafen gegen zwei kurdi­sche Aktivisten. Auch in Wuppertal kam es am 26.06. zu zwei Festnahmen. Während unsere Freundin Latife inzwi­schen gegen Kaution wieder frei kam, befindet sich der ebenfalls an jenem Mittwoch verhaf­tete Muzaffer noch immer im Knast. Die Bundes­an­walt­schaft versteht sich dabei offen­kundig als « verlän­gerter Arm » der türki­schen Behörden. So kommt es auch immer wieder zu Auslie­fe­rungen türki­scher oder kurdi­scher Aktivis­tInnen aufgrund des „Europäi­schen Auslie­fe­rungs­ab­kom­mens”, bei denen von der Türkei Gesuchte aufgrund deutscher Haftbe­fehle aus anderen europäi­schen Ländern in deutsche Knäste ausge­lie­fert werden. Ziel dieser Maßnahmen ist ganz offen­sicht­lich, die inter­na­tio­nale Vernet­zung der Repres­sion zu perfek­tio­nieren.

Der berühmt-berüch­tigte Ausspruch des ehema­ligen BKA-Chefs Herold, « Wir kriegen sie alle ! », soll offenbar mit immer abgestimm­teren Verfahren über alle Länder­grenzen hinweg in die Realität übertragen werden. Dieser Entwick­lung ist nur schwer etwas entge­gen­zu­setzen. Gemein­samer Wider­stand erfor­derte auf linker Seite ebenso vernetzte inter­na­tio­nale Struk­turen, die – jenseits aller ideolo­gi­scher Unter­schiede – erfah­rungs­gemäß schon aus Mangel an Ressourcen nur schwer zu schaffen sind. Ein Weg könnte die bessere Anbin­dung türki­scher und kurdi­scher Genos­sInnen in hiesige Kämpfe und Gruppen sein. Wie Latifes Beispiel gerade erst gezeigt hat, fällt Solida­ri­täts­ar­beit und das Herstellen von Öffent­lich­keit natur­gemäß leichter, wenn Betrof­fene gut in aktive politi­sche Struk­turen vor Ort einge­bunden sind.

Vor diesem Hinter­grund sollte die Tagung nicht zuletzt der (Wieder-) Belebung einer politi­schen Zusam­men­ar­beit kurdi­scher, türki­scher und deutscher Gruppen in Wuppertal dienen. Und trotz der entfal­lenen Runde zu mögli­chen gemein­samen Perspek­tiven wurde am Sonntag hierfür ein guter Anfang gemacht. Die wechsel­sei­tige Kenntnis ist jeden­falls gewachsen, und mit den antifa­schis­ti­schen Aktivi­täten zur von den Nazis der Partei « die Rechte » geplanten « Schlacht von Wuppertal » am 21.September bietet sich für gemein­sames Agieren auch ein aktuelles Erpro­bungs­feld. Wenn unsere Tagung dazu beige­tragen hat, das bei den Wupper­taler Soli-Demos nach der Räumung des Gezi-Parks entstan­dene neue gegen­sei­tige Vertrauen zu stärken, hat sich der Aufwand gelohnt.

Für die solida­ri­sche Betei­li­gung daran möchten wir uns bei allen herzlich bedanken.

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